Bewegte Zeit: Alle Fenster offen

Ulrike Kömpe, Tuchmacher Museum Bramsche

Noch einmal haben Künstler*innen aus der Region ein Fenster in ihre Ateliers geöffnet. Der erste Schock der Corona-Pandemie scheint überwunden und oft hat die intensive künstlerische Beschäftigung dabei geholfen. Das „Mehr“ an Zeit und Ruhe ermutigte zu langwierigen Arbeiten, wie den Quilt „Silk Circle“, den Renate Dellenbusch aus Hunderten von Stofflagen aus alten, seidenen Ballkleidern nähte. Anette Rega arbeitete für ihre „Eco Prints“ mit einem aufwendigen Druckverfahren mit Pflanzenfarben. Der ganzheitliche Prozess mit unendlichen Farbvariationen auf textilen Materialien führte zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Natur- und Pflanzenwelt – „vielleicht brauchen wir eine neue Beziehung zur Natur und auch zu uns selbst“, sagt sie. Die ist auch bei Anne Grunge-Dirkers spürbar, die der Bramscher „Liebesallee“ den roten Teppich ausgerollt hat. Monika Schwertmann stellte fest, dass ihre Arbeiten im Lauf der Pandemie immer reduzierter wurden: „weg von der Farbe, weg von der Fläche, hin zur Linie“ und fragt „wie viel brauchen wir wirklich?“

Bis zum 20.09. ist „Bewegte Zeit“ noch im Museum zu sehen. An dieser Stelle bedanken wir uns nochmals ganz herzlich bei allen Künstler*innen, die die Ausstellung spontan und tatkräftig unterstützt haben. Leider konnten wir nicht alle Bewerbungen berücksichtigen, aber wir denken über eine Wiederholung, hoffentlich unter anderen Vorzeichen, nach.

Renate Schütz

Wie geht es jetzt weiter? Wie gehen wir mit dem verengten Horizont des Lockdowns um? Gibt es neue „horizonte“, haben wir auch noch den Blick für die anderen oder sind wir nur mit uns selbst beschäftigt? Gibt es vor der Haustüre „horizonte“, die wir noch nicht kannten?

Horizonte - Teil 2

 

Anja Höppner

Die Serie zeigt zufällige Begegnungen auf der Straße. Der Fokus liegt jeweils auf zwei Akteuren, die sich kontrastreich aus dem Grau ihrer Umgebung heraus heben. Hier bleibt Freiraum für eigene Interpretationen:
Was treibt die Menschen an, wohin wollen sie? Was würde passieren, wenn sie in ihrer Bewegung innehalten und sich wirklich begegnen? Je nach Stimmungslage des Betrachters können so immer wieder neue Geschichten entstehen.
In der heutigen Zeit liegt die Wahrnehmung sicherlich auf die Übertragbarkeit eines Virus, der unser gesamtes Leben auf den Kopf gestellt, die Sicht auf bestimmt Dinge verändert und uns insgesamt nachdenklicher gemacht hat. Die geforderte soziale Distanzierung, das inzwischen normal gewordene Ausweichen auf der Straße, wenn ein anderer Mensch entgegen kommt.

Begegnungen auf der Straße - Freunde

 

Matthias Welp-Dasenbrock

In Münster leben 312.000 Menschen und es gibt dort geschätzte 500.000 Fahrräder. Täglich legen die Münsteraner*innen durchschnittlich ca. 420.000 Fahrten zurück. An jeder Ecke gibt es Fahrräder: Im Straßenverkehr, rund um die Hochschulen, vor Museen und in den vielen Fahrradständern im öffentlichen Raum der Stadt.
Münster: Fahrrad-voll

Nicht aber so während der Corona-Pandemie: Die täglichen Fahrten mit Fahrrädern sind auf einen kleinen Prozentsatz gesunken. Man sieht nur wenige Fahrräder im überschaubaren Straßenverkehr. Rund um die Hochschulen, vor Museen und an vielen weiteren Orten der Stadt sind die Fahrradständer im öffentlichen Raum der Stadt vereinsamt.
Münster: Fahrrad-leer

Fahrrad - leer 03

 

Monika Schwertmann

Wie viel brauchen wir wirklich? In der Corona-Zeit hat es Phasen des schwerlichen Suchens gegeben. Nichts wollte gelingen. So weiter machen wie bisher, erschien nicht das Richtige zu sein.
Inspiriert durch die Musik des Komponisten Philip Glass sind minimalistische Arbeiten entstanden. Weg von der Farbe, weg von der Fläche – hin zur Linie. Durch die Musik fanden die Linien ihren Weg auf das Blatt. Es war ein Fallenlassen in die einzelnen Töne des wichtigen Vertreters der „Minimal Music“.

Methamorphosis

 

Anne Grunge-Dirkers

In Corona-Zeiten habe ich meine Reihe „Kunst-Landschaft-Bramsche“, die sich mit besonderen Orten in und um Bramsche auseinandersetzt, durch eine Landschaftsinstallation erweitert. Der Eper Kirchweg, auch „Liebesallee“ genannt, erhielt am 3.5.2020 durch das rote Tuch temporär ein neues Gesicht, um den Wert dieses historischen Weges herauszustellen.

Liebesallee

 

Gudrun Kuhn

Die massiven Veränderungen im täglichen Leben, die Einschränkungen des Miteinanders haben meine Gefühle in einer „informellen“ Weise auf die Leinwand gebracht. Die Botschaften der Pflanzenwelt inspirieren mich zu Tagträumen, die ich festhalten möchte. Die Natur vermittelt mir Kraft und Weitsicht. Ihre Nachricht möchte ich durch meine Bilder weitergeben; Kraft geben gegen Leid und Schrecken der Pandemie.

Aufgang

 

Renate Dellenbusch

Der Corona-Lockdown gab mir unbegrenzt Zeit, diese aufwendige Arbeit zu beginnen, die schon lange in meinem Kopf war.
Seidenstoffe von zwei ehemaligen Ballkleidern wurden in Streifen geschnitten und mit dreidimensionaler Wirkung in Kreisen aufgenäht. Jetzt können sie weiter tanzen.

Circle of Silk

 

Anette Rega

Die Pandemie schafft Raum zum Innehalten. Vielleicht geht es darum, unser Verhältnis zu Pflanzen und Tieren zu hinterfragen. Vielleicht brauchen wir eine neue Beziehung zur Natur und auch zu uns selbst.
Seit 2019 arbeite ich mit natürlichen Farbstoffen und Pflanzenfarben. Dieser ganzheitliche Prozess eröffnet mir eine intensive Auseinandersetzung mit der Natur- und Pflanzenwelt, mit unendlichen Farbvariationen, Düften, Heilwirkungen, saisonalen Verfügbarkeiten und regionaler Diversität. Ich entdecke natürliche Zyklen und erahne die Folgen ihres Unterbrechens und Zerstörens durch uns Menschen. Unser Verständnis von Natur bringt immer neue Umweltkrisen hervor.

Earth Rhythm

 

Elin Reiter

Inspiriert von den Fahrten mit unserem Boot im Sydfünischen Inselmeer entstand dieses Bild. Der Blick über die Bordwand in die Tiefe des Meeres, die ständige Bewegung des Wassers und die Farben von Licht und Wellen an der Oberfläche: Dies ist meine Interpretation.
Es gibt Tage, an denen kein Wind weht. Die Wasseroberfläche ist glatt und ruhig. Und wenn ich über die Bordwand blicke, dann sehe ich Muster im Wasser und ich frage mich, wie man das wohl malen kann. Zuerst habe ich Bleistiftskizzen gemacht und zu Hause entstanden daraus die Farben und Spiegelungen. Dieses Bild ist die Interpretation des Gesehenen.
Mein Landsmann Per Kirkeby sagt dazu: „Von wo kommen die Farben in einer abstrakten Malerei? Von dem was man gesehen hat. Und alles was man sieht, wird mit irgendeinem Gefühl oder einer Erinnerung verknüpft. Die beiden Sachen gehen zusammen.“
In diesen Corona-Zeiten komme ich nicht mit meinem Boot hinaus zu den Inseln. Und wenn dann die Sehnsucht zu groß wird, sitze ich vor meinem Bild und die Erinnerungen kommen.

Alles fließt (Detail)

 

Ulrike Kömpe

Etwa Mitte März war es endlich soweit: meine Familie und ich zogen nach Bramsche. Wir waren noch gar nicht richtig angekommen, da kam es zu einer weiteren Veränderung, die unser Leben beeinflusste: der Corona-Lockdown. Und plötzlich wurde die lebendige Stadt sehr ruhig.
Nachdem wir uns ein wenig in die Situation eingefühlt haben, drängte es mich kaum ins Atelier. Vielmehr wollte ich die Umgebung erkunden und Eindrücke sammeln. Auf den kleinen Erkundungstouren sind diese Skizzen entstanden. Und so fremd sich die Situation in der Corona-Krise auch anfühlte, so schön war es manchmal, Bramsche in einer gewissen Stille zu betrachten.

Tuchmacher Museum Bramsche

 

 

 

Ilka Thörner
19.08.2020 – 11:44 Uhr