Bauhaus-Stoffe als Inspiration - ein Resümee

Foto: Hans-Heinrich Schwalenberg

Seit dem Frühjahr gibt es neue Muster und Farben in unserer Weberei. Zur Ausstellung „Auf den zweiten Blick“ entstand hier eine ganz neue Wolldecken-Kollektion - inspiriert von der Bauhaus-Meisterin Gunta Stölzl. Die Nachfrage war so groß, dass die neuen Muster nun noch weiter gewebt werden. Auch die Dokumentation „Bauhaus-Stoffe als Inspiration“ in der Kornmühle ist noch bis zum 3. November zu sehen. Sie zeigt die Entwicklung der Kollektion von den Entwürfen und Webmustern, durch Studierende des Fachgebietes Textiles Gestalten der Universität Osnabrück bis zu den fertigen Decken. Sowohl die Studierenden als auch die Museumstechniker haben Pionierarbeit geleistet. Die Textildesignerin Lucia Schwalenberg war an der Schnittstelle zwischen Universität und Museum für das Projekt im Einsatz – wir haben Sie nach ihren persönlichen Erfahrungen gefragt:

Was hat Sie an dem Projekt begeistert?

Es war mir eine große Freude, dieses Kooperationsprojekt zwischen dem Tuchmacher Museum und dem Textilen Gestalten der Universität Osnabrück zu begleiten. Besonders begeistert hat mich die hoch motivierte und engagierte Zusammenarbeit aller Beteiligten: Ein echtes Dream-Team! Besucher und Besucherinnen der Ausstellung ahnen kaum, wie viele Menschen und Fachkenntnisse im Hintergrund zusammenkommen, um die Idee in die Tat umzusetzen.

Was war die größte Herausforderung?

Herausforderungen gab es auf allen Ebenen: Die Studierenden des Bauhaus-Webkurses Canan Barcin, Julia Falke, Amelie Gieschler, Bilâl Enes Görmez, Elena Hardenberg, Joana van der Kolk-Dölling, Karoline Meyer-Hollje, Laura Möller, Naina Reuter, Julia Schaller, Nesibe Türkaslan, Derya Tuztas, Betül Yeyit und Duygu Yildrim mußten sich in kürzester Zeit in die Bedienung unterschiedlicher Webstühle vom Lochkarten-Jacquardwebstuhl bis zum digitalen Handjacquardwebstuhl TC2 einarbeiten. Es war faszinierend, wie kreativ und vielfältig sie mit der Technik gearbeitet haben, die für die meisten Neuland war.

Von den Musterproben der Studierenden war es ein weiter Weg bis zur Umsetzung auf dem historischen Jacquardwebstuhl im Tuchmacher Museum. Eine große Herausforderung war die Frage, ob die historische Kartenschlagmaschine überhaupt zum Jacquardwebstuhl des Museums passt. Als klar war, dass sie passt, war die Herausforderung, sie so zu reparieren und mit fehlenden Stempeln zu versehen, dass funktionsfähige Kartenläufe darauf geschlagen werden konnten. Der Einzugsmechanismus des Jacquardwebstuhls mußte erschlossen und die Techniker mit dem Lesen der Gewebepatronen, dem Schlagen und Nähen der Kartenläufe vertraut gemacht werden.

Das Textilwerk in Bocholt half bei der Beschaffung der extrem holzhaltigen Pappe für die Lochkarten-Rohlinge, die eigens vom Tischler der Universität auf Maß zugesägt wurden. Die Gewebeexpertin Agnes Schwertl unterstützte das Projekt bei der Umsetzung der Jacquardbindungen in Patronenzeichnungen. Die Jacquardexperten Wolfgang Sternberg, der Maschinenbauingenieur Hans-Heinrich Schwalenberg und die Museumstechniker Antonio Torres und Volker Leismann erforschten das Zusammenspiel von Kartenschlagmaschine und Museumswebstuhl. Immer wieder tauchten Fehler im Gewebe auf, die analysiert und behoben werden mussten. Alle hatten den Ehrgeiz, besonders gestaltete und technisch einwandfreie Wolldecken zu produzieren.

Schwierig war die Suche nach Garnlieferanten für die Auswahl des Materials, das in der Qualität exakt zu der im Museum versponnenen Wolle passen musste. Hier half Kari Bottke mit Kontakten zu norwegischen Spinnereien und Rothböck in Österreich.

Das Meisterstück in der Produktion war die Umsetzung eines Aquarells von Gunta Stölzl. Der Originalentwurf mit seiner grafischen Aufteilung musste auf 20 Farben reduziert und die Schussanzahl pro Farbe und Streifen Schuss für Schuss und Farbe für Farbe für die gesamte Gewebelänge festgelegt werden. Die Herstellung der Decken im Schussdouble ermöglichte schließlich die Umsetzung ohne endlos langen Kartenlauf.

Für meine Arbeit an der Schnittstelle zwischen Universität und Museum war es entscheidend, von Anbeginn in das Projekt eingebunden zu sein. So konnte ich gemeinsam mit der Museumsleiterin Kerstin Schumann und Annette Hülsenbeck vom Textilen Gestalten bei Monika Stadler, die das Archiv ihrer Mutter Gunta Stölzl bearbeitet, die passenden Archivproben auswählen.

Die Kollektionsentwicklung und Produktion der Wolldecken für die Ausstellung war optimal aufeinander abgestimmt und ist im Ergebnis überzeugend.

Welchen Stellenwert hat die Zusammenarbeit mit einem Museum für das Fachgebiet Textiles Gestalten der Universität Osnabrück und die Studierenden?

Für das Textile Gestalten und die Universität ist die intensive Kooperation mit dem Tuchmacher Museum eine wertvolle Bereicherung des Lehrplanes. Die Studierenden sind hoch motiviert aufgrund der konkreten Aufgabenstellung für das Museum. Das Ineinandergreifen von Praxis und Theorie ist in diesem Kooperationsprojekt zwischen Tuchmacher Museum und Universität Osnabrück vorbildlich geglückt.

Ilka Thörner
04.10.2019 – 10:16 Uhr